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22 September 2018

Besonderer Kündigungsschutz eines Wahlvorstandes

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.11.2017, Aktenzeichen 2 AZR 14/17

Besonderer Kündigungsschutz eines Wahlvorstandes

Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nach Amtsniederlegung und Aufnahme der
Tätigkeit als Wahlvorstand


Ein Betriebsratsmitglied kann nur dann gekündigt werden, wenn die Zustimmung des
Betriebsrats dazu erfolgt ist. Lehnt das Gremium die Zustimmung zur Kündigung wie
meist ab, ist der Arbeitgeber gehalten, das gerichtliche
Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten, wenn er weiter an dem
Kündigungsvorhaben festhält.
Das Wesentliche an diesem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist, dass es bei der
gerichtlichen Ersetzung der Kündigungszustimmung auf die Kündigungsgründe und
nicht so sehr auf das Amt ankommt, welches der Betroffene Arbeitnehmer ausübt.
Deshalb haben die Amtsniederlegung hinsichtlich der Betriebsratstätigkeit und die
spätere Aufnahme der Arbeit im Wahlvorstand keinen Einfluss auf die Wirksamkeit
der Ersetzung der Zustimmung.
Bei der zu kündigenden Betriebsratsvorsitzenden bestand wohl die Hoffnung, dass
der Arbeitgeber das Zustimmungsersetzungsverfahren lediglich hinsichtlich der
Tätigkeit im Betriebsrat eingeleitet hatte und die gerichtliche Ersetzung der
Zustimmung ins Leere ginge, wenn gar keine Betriebsratstätigkeit mehr ausgeübt
werde, sondern sie nunmehr Vorsitzende des Wahlvorstandes sei. Diesem Wunsch
erteilte das Bundesarbeitsgericht eine Abfuhr. Es meint, dass es bei der
Zustimmungsersetzung nicht auf das Amt, sondern die Kündigungsgründe ankäme
und die seien eben gegeben.
Hierzu aber im Einzelnen:
Der Betriebsrat verweigerte im vorliegenden Fall seine Zustimmung zur
außerordentlichen Kündigung. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hatte
in zweiter Instanz die Zustimmung durch Beschluss ersetzt. Bevor die Rechtskraft
dieses Beschlusses eintrat, legte die betroffene Betriebsratsvorsitzende ihr Amt
nieder; etwas später wurde sie Vorsitzende des Wahlvorstandes.
Auch die Arbeitgeberin hatte es offensichtlich eilig und kündigte noch vor Rechtskraft
des Beschlusses das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos. Nach Rechtskraft des
Beschlusses über die Zustimmungsersetzung kündigte die Arbeitgeberin dann gleich
noch einmal außerordentlich.
Sowohl als Mitglied des Betriebsrats wie auch als Wahlvorstands genoss die
Vorsitzende besonderen Kündigungsschutz.
Die erste außerordentliche Kündigung war nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts
unwirksam, weil die gem. § 15 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 KSchG i.V.m. § 103 Abs. 1
BetrVG erforderliche direkte Zustimmung des Betriebsrats nicht vorlag und auch die
gem. § 103 Abs. 2 BetrVG mögliche gerichtliche Zustimmung im Zeitpunkt des
Zuganges der Kündigung noch nicht rechtskräftig ersetzt war. Der Ausspruch der
Kündigung eines Betriebsrats- oder Wahlvorstandsmitglieds kann im Falle der

Zustimmungsersetzung durch das Gericht erst nach dem Zeitpunkt des Eintritts der
Rechtskraft des Beschlusses erfolgen. Hier ging die erste außerordentliche
Kündigung der besonders geschützten Amtsträgerin schon vor Eintritt der
Rechtskraft zu, woraus die Unwirksamkeit dieser Kündigung folgt.
Jedoch hatte der Zugang der zweiten außerordentlichen Kündigung das
Arbeitsverhältnis wirksam beendet. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschluss über die
Ersetzung der Zustimmung rechtskräftig gewesen. Die frühere Betriebsrats- und
dann Wahlvorstandsvorsitzende konnte sich nicht wirksam auf die Niederlegung
ihres Betriebsratsamtes berufen. Es kommt darauf an, was Streitgegenstand im
gerichtlichen Verfahren ist. Dazu gibt es verschiedene Streitgegenstandstheorien.
Nach der vom Bundesarbeitsgericht befürworteten zweigliedrigen
Streitgegenstandstheorie kommt es auf den geltend gemachten Anspruch und den
dahinter liegenden Lebenssachverhalt an. Hier verfolgte der Arbeitgeber mit dem
Zustimmungsersetzungsverfahren seinen Anspruch auf Zustimmung des Betriebsrats
zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung wegen der aus seiner Sicht
vorliegenden wichtigen Gründe.
Dem Antrag des Arbeitgebers war durch den Beschluss des Landesarbeitsgerichts
bei Ausspruch der zweiten außerordentlichen Kündigung rechtskräftig stattgegeben
worden. Damit war die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen
Kündigung aufgrund der mitgeteilten Kündigungsgründe ersetzt. Wenn nun eine
Kündigung eines Wahlvorstandes auf dieselben Gründe gestützt werden soll, wie
zuvor die Kündigung dergleichen Person als Betriebsrat, bedarf es keines
neuerlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens.